Ostwall -Polen

Der erste Weltkrieg war vorbei, die Grenzen in Europa wurden neu geordnet und militärische Beistandsverträge zwischen den Großmächten geschlossen. Die deutschen Nachbarstaaten hatten aus dem ersten Weltkrieg falsche Schlussfolgerungen zum Schutz des nationalen Territoriums gezogen und versuchten sich in einer statischen Verteidigung gegenüber dem geschwächten Deutschland. Es wurde gebuddelt, gegraben und betoniert. In Frankreich die Maginot Linie und in Tschechien die Benes Linie.
 


Die Verteidigungslinien die zwischen 1920 und 1939 gebaut wurden


Deutschland selber stand zwischen den beiden starken verbündeten Staaten Frankreich und Polen und durfte laut Versailler Vertrag nur 100.000 Mann unter Waffen haben. Also versuchte auch Deutschland sich zu schützen und so wurden in den 20iger Jahren ebenfalls gut ausgebaute Verteidigungslinien geplant. Der Westwall gegen Frankreich, der Ostwall mit dem Oder Warthe Bogen, der Pommernstellung und der Oderstellung gegenüber Polen.

Statische Verteidigungen haben einen großen Nachteil. Sie sind wie es das Wort schon zum Ausdruck bringt Statisch – an einen bestimmten Ort gebunden. Schon die Bauwerke der frühen Geschichte zeigten jedoch, das sie nur von kurzer Verteidigungswirksamkeit sind. Der Limes der Römer wurde genau so wie die große Chinesische Mauer überwunden, Verteidigungsanlagen des Mittelalters wurden belagert und eingenommen.

Gerade in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg nahm die Mobilität in der Kriegsführung zu. Statt der gewohnten Pferde wurden Panzer und Flugzeuge entwickelt, die große Entfernungen in kurzer Zeit überwanden. Diese statischen Verteidigungen waren durch die Dynamik in der Kriegsführung und deren Mobilität längst überholt worden. Trotzdem wurde auf allen Seiten der verfeindeten Parteien auf Biegen und Brechen gebuddelt, gebuddelt und gebuddelt.
 

Panzerwerk 778

Panzerwerk 778
Panzerwerk 778

Der Ostwall, der Ende der Zwanziger Jahre geplant wurde, nahm ab 1934 seine Gestalt an. In den ersten 7 Jahren sollte eine rund 110 km lange und 3 km Tiefe Verteidigungslinie mit allen notwendigen Waffen im Wert von rund 600 Mio Reichsmark geschaffen werden. Unter strengster Geheimhaltung wurden im deutschen Reich die erforderlichen Arbeitskräfte rekrutiert, die zum angeblichen „Autobahnbau“ in die deutschen Ostgebiete beordert worden. Vorrang hatte die Verteidigung des so genannten „Lebuser Tores“, die direkte Einfallslinie der polnischen Armee rund 120 km ostwärts von Berlin entfernt.

Bis September 1939 war die Verteidigungslinie zu ca. 2/3 fertig gestellt. 87 Panzerwerke und rund 35 km Hohlgangsystem standen nun an der deutschen Ostgrenze. Verstärkt wurden diese Bunkerbauten durch hydrotechnische Anlagen, die ein großes Gebiet kurzfristig zu einem unpassierbaren Sumpf anwachsen ließ. An den wichtigsten Zufahrtsstraßen befanden sich Stände für 3,5 oder 5 cm PAK und die großen Panzerwerke besaßen schwere Maschinengewehre, automatische 5cm Granatwerfer und Festungsflammenwerfer, die weiträumige Gebiete um die Panzerwerke in Flammenmeere verwandeln konnten. Geplant waren darüber hinaus schwere Artillerie Batterien mit Kanonen und Haubitzen.

Panzerwerk 745 - PAK Stand
Panzerwerk 745
(PAK Stand)

Panzerwerk 766
Panzerwerk 766


Von 1939 bis 1944 ruhten die Baumaßnahmen. Als sich der Krieg jedoch wieder den ehemaligen Ausgangspunkten näherte versuchte man fieberhaft diese Anlagen wieder wehrhaft zu machen. Erfolglos. Im Januar 1945 überquerte die Rote Armee ohne nennenswerten Widerstand diese immense Verteidigungslinie um Ende April 1945 Berlin einzunehmen und Deutschland zur Kapitulation zu zwingen. Somit war auch dieses Kapitel einer statischen Verteidigungslinie ein erfolgloser Versuch geblieben.

Nach 1945 wurden die Anlagen durch die russische Armee als Lager von Waffen und Munition genutzt. Nach dem Abzug der Russen bediente sich die polnische Armee an den Hinterlassenschaften der Deutschen und anschließend nahm die polnische Bevölkerung die Liegenschaften in Beschlag. Jetzt wurde alles was noch vorhanden war demontiert und als Schrott zu Geld gemacht.
Heute sind noch viele der betonierten Stellungen in den Wäldern des Oder Warthe Bogens auszumachen und in einige dieser Bunker kommt man problemlos hinein. An einigen wichtigen, zentralen Komplexen der Anlage werden organisierte Führungen angeboten. Diese sind gut gestaltet und dienen dem besserem Verständnis der hier gebauten Komplexe. Andererseits ist es auch gefährlich auf eigene Faust in die unterirdischen Systeme einzudringen. Überall lauern Gefahren. Unter den Panzerwerken befinden sich tiefe Schächte von bis zu 40 m. Wer dort fahrlässig und unverantwortlich handelt kann schnell zu Schaden kommen.

Nachdem wir uns die Bunkerbefestigungen des Atlantikwalls in Dänemark und Frankreich angeschaut hatten, fanden wir 2004 schnell ein neues Ziel, den Oder Warthe Bogen im heutigen Polen. Unsere für drei bis vier Tage geplante Tour begannen wir mit einer geführten Besichtigung in der Burschenschleife.
 

 

Plan Burschenschleife
Schieber zum Absperren der LuftzufuhrKasernenraum
unterirdisches Hohlgangsystem mit Schienenstrangfunktionstuechtige Weiche
Burschenschleife mit Panzerwerk Nord


Die Burschenschleife ist ein unterirdisches Bauwerk in der unmittelbaren Nachbarschaft der Ortschaft Burschen. In gut 30 m Tiefe sollte die kasernierte Unterbringung von Personal, Technik, Munition, Ausrüstung und Versorgungsgütern ermöglicht werden. Oberirdisch war eine feuerstarke 3 x 15 cm Haubitzenbatterie geplant. Die Burschenschleife war mit den anderen Bauwerken des Oder – Warthe Bogens durch ein Hohlgangsystem verbunden welches durch Berliner U-Bahnbauer geschaffen wurde. In diesen betonierten, eiförmigen Gängen führte der schmale Schienenstrang einer von Akkumulatoren betriebenen Bunkerbahn entlang. Unter dem Schienen eine weitere Meisterleistung der Ingenieurbaukunst, die Entwässerung der Anlage. Mit einem Gefälle von 3 ‰ plätschert noch heute gut hörbar das Wasser unter den Gleisen entlang. Dadurch konnte bis heute die Trockenheit der Anlage gewährleistet werden. Nur an einigen Stellen gab es mutwillige Zerstörungen der Dränage und sofort steht die Feuchtigkeit im Gang. Nicht nur die Dränage wurde an einigen Stellen zerstört, sondern auch die Ausstattung und Einrichtung. An einigen Orten wurden Bohrungen und Sprengungen vorgenommen, da fleißige Schatzsucher noch Wertgegenstände der Nazis vermuten. Die Hirngespinste gehen sogar soweit, dass einige hier in diesem System das legendäre Bernsteinzimmer finden wollen.
 

Panzersperre - DrachenzaehnePanzerwerk 717
Panzerkuppel Eingang Panzerwerk 717
Verteidigung Panzerwerk 717unterirdisches Hohlgangsystem
Panzerwerk 716Panzerwerk 716 Granatwerfer und Flammenwerfer
Werkgruppe Scharnhorst mit den Panzerwerken 716, 716a und 717


Unser nächstes Ziel war die Werkgruppe „Scharnhorst“ mit den Panzerwerken 716, 716a und 717. Auch hier wurde uns eine organisierte Führung angeboten, an der wir sehr gern teilnahmen. Die Außenanlagen des Museums wurden mit einigen militärischen Relikten aus der Zeit des 2. Weltkrieges bis zur Gegenwart ergänzt. Hier an der Straße zwischen Hochwalde und Kalau gelang am 29.1.1945 zwischen 20:00 und 22:00 Uhr der 44. sowjetischen Garde- Panzerbrigade der Durchbruch durch die Festungsfront. Der Oder – Warthe Bogen war somit als letztes Bollwerk vor Berlin gefallen. Nun stand der Roten Armee der Weg nach Deutschland weit offen.

Wir hatten gut geruht und heute wollten wir weitere Bauwerke des Oder – Warthe Bogens uns anschauen. Durch herrlich grüne Wälder und an sauberen Seen vorbei ging es zum Panzerwerk 745 – eine PAK Stellung zur Verteidigung der Zugangsstraße zwischen Miedzyrzecz – Pieski. Ein gut erhaltener Hindenburgstand, heute frei zugänglich – aber Achtung es gibt ein Untergeschoss – Absturzgefahr.

Im verlaufe des Tages schauten wir uns weitere Bauwerke in der schönen Natur des polnischen Landes an. Am späten Nachmittag zog es uns noch einmal zur Burschenschleife. Hier müssen wir noch einmal auf eigene Faust hinein. Den Zugang, der hinter einem halbzerstörtem Betonteil im Panzerwerk 766 der Werkgruppe Friesen zu finden war, kannten wir vom Vortag. Also Auto auf dem bewachten Parkplatz abgestellt und los ging die Erkundungstour.

Es war schon erstaunlich, wie solide damals gebaut wurde. Auch hier fanden wir einen guten Erhaltungsgrad vor, obwohl die Periode der Nutzung schon einige Zeit zurück liegt. Die vor 65 Jahren (2004) errichteten Anlagen haben zwar oberirdisch Zerstörungen aufzuweisen, aber unter der Erde scheint alles noch intakt zu sein. Mit Hilfe eines Planes der Anlage fanden wir uns gut in den dunklen Gängen zurecht.

 Leider mussten wir somit unsere Tour vorzeitig abbrechen. Unser Auto wurde auf dem bewachten Parkplatz aufgebrochen und unser Reisegepäck sowie die Bunkerausrüstung geraubt. Die polnische Polizei gab sich zwar große Mühe uns zu Helfen, doch bis heute sind die Sachen nicht wieder aufgetaucht. Mit aufgebrochenem Auto und zertrümmerter Fensterscheibe verließen wir ausgeraubt Polen.

http://www.youtube.com/watch?v=h3i2gel0VJE

DVD Ostwall